Bauliche Veränderung am Wirbelkasten des Cellos zur Verbesserung der Sitzposition


Die Cellohaltung gilt im Allgemeinen als die natürlichste, wenn man sie mit der Spielart der anderen Streichinstrumente vergleicht. Dies mag vordergründig betrachtet richtig sein. Grundsätzlich problematisch ist jedoch - wie bei allen Streichinstrumenten - die unterschiedliche Arbeitsleistung der beiden Arme, wodurch die Wirbelsäule erheblich belastet wird. Hinzu kommt ein Problem, das von den meisten Cellisten aufgrund jahrelanger Gewöhnung gar nicht mehr wahrgenommen wird: Will der Cellist seinen Oberkörper aufrichten, stößt er sehr schnell mit dem Hinterkopf an den C- Saiten-Wirbel, der in klassischer Bauart links am unteren Ende des Wirbelkastens montiert ist. Die Wirbelsäule ist also schon in ihrer Grundhaltung ohne Arbeitsbelastung nach vorne gebeugt, vollständiges Aufrichten ist nicht möglich. Der Kopf ist nur nach zwei Seiten beweglich, ständige Schiefhaltung nach vorne oder/und nach rechts wird schon als normal empfunden, oft ist die Wirbelsäule dazu noch verdreht (tordiert). Diese Fehlhaltungen mögen oft sehr gering erscheinen, die Folgen unter Dauerbelastung dürfen aber nicht unterschätzt werden: einseitige Belastung der Bandscheiben, Verspannungen der Nackenmuskulatur (meist einseitig rechts), Verdrehung der Wirbelsäule, einseitiges Überdehnen der Sehnen. Ausgleichsbewegungen sind durch die Einengung nicht möglich.

Historischer Hintergrund: Das Cello, das bekanntlich erst um 1600 zur Violinenfamilie hinzukam, hat selbstverständlich alle Merkmale der Violine übernommen. Bei dieser wird der Platz neben dem Wirbelkasten für die Grifftechnik in den unteren Lagen benötigt, die Anordnung der Wirbel ist also zwingend vorgeschrieben. Für die Cellisten gab es zunächst auch keinen Anlass für eine Änderung. Man hielt das Instrument ohne Stachel schräg zum Körper, der Bogen ging vergleichsweise leicht und flink über die Saiten, die Darmsaiten in Verbindung mit einer flachen Stegrundung vertrugen nicht annähernd den heute üblichen Bogendruck. Der musikalische Ausdruck äußerte sich zudem mehr in Verzierungen als in kraftvoller Dynamik.

Mit der Romantik änderte sich das Ausdrucksbedürfnis des Menschen: verlangt wird jetzt ein kräftiger, weittragender Celloton (die Stahlsaite setzt sich für die Streichinstrumente durch). Neue Spieltechniken wie kraftvolle, virtuose Doppelgriffpassagen über das gesamte Griffbrett halten Einzug in die Celloliteratur. Das Cello wird jetzt mit dem Stachel auf dem Boden fixiert, wodurch die neuen Spieltechniken erst ermöglicht werden. An diesem Punkt stellt sich zum ersten Mal das Problem des störenden, einengenden C-Saifen-Wirbels, da mit zunehmendem Kraftaufwand das Instrument folgerichtig immer mehr der Körpermitte angenähert wird, ein Faktum, das sich an jeder Alltagsbewegung nachvollziehen lässt.

Abhilfe schaffen kann ein Umbau des Wirbelkastens. Dabei werden die Plätze der Wirbel spiegelverkehrt vertauscht: C- und G-Saiten-Wirbel rücken nach oben, D-und A-Wirbel entsprechend nach unten. Das Verfahren wird als "Wirbeltausch" bezeichnet. Da die Wirbel konisch gedreht sind, können sie nicht einfach umgesteckt werden, es muss vom Geigenbauer ein- relativ geringfügiger- Umbau erfolgen. Dabei kann sogar die Position der Wirbel noch etwas nach oben verschoben werden, soweit Statik und Ästhetik es zulassen. Beim Neubau eines Cellos ist dies natürlich ohne jeglichen Mehraufwand zu erreichen.

Positive Auswirkungen für den Cellisten: der Platzgewinn von 3-4 cm erscheint zahlenmäßig zunächst recht gering, die Auswirkungen auf die Sitzposition sind allerdings enorm: die Wirbelsäule kann sich ausrichten, der Kopf erhält mehr Bewegungsfreiheit, der Schultergürtel kommt ins Gleichgewicht, einseitige Überdehnungen können abgebaut werden. Der Spieler erhält jetzt mehr Raum für Ausgleichsbewegungen zu einer ohnehin schon einseitig belastenden Tätigkeit.

Eine einfache Experimentiermöglichkeit am eigenen Instrument ohne Umbau bietet sich jedem interessierten Cellisten: C-Saite abspannen, den Wirbel entfernen und dann wie gewohnt auf dem Cello spielen.. Tritt spontan ein auch noch so geringes Gefühl der "Befreiung" ein, so ist eigentlich schon Handlungsbedarf gegeben. Viele Cellisten entdecken bei diesem Experiment zum ersten Mal, dass der Wirbel sie ernsthaft behindert; der Hinweis auf jahrhundertealte Traditionen lässt allerdings Gedanken an Unzulänglichkeiten des Instrumentes meist schon im Keim ersticken. Hinzu kommt das unbestimmte Gefühl, "unbegabt" zu sein oder nicht genug gearbeitet zu haben, wodurch der Gedanke an bauliche Veränderungen schnell unterdrückt wird. Die hier gezeigte Veränderung hat keine praktischen und keine ästhetischen Nachteile, jeder Cellist kann sie zu seiner Erleichterung problemlos einsetzen.

Wem dieser Platzgewinn noch nicht ausreicht, der sollte sich informieren über die (preiswertere) Methode Wirbeltrennung.

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